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Rundgang Pessoa

Fernando Pessoa war kein Genie, er war gleich mehrere. Oft werden die verschiedenen Namen, unter denen Fernando Pessoa seine verschiedenen Werke schrieb, als Pseudonyme bezeichnet. Die Heteronyme des Schriftstellers sind jedoch viel mehr als das. Es handelt sich um sein größtes Geheimnis und gleichzeitig sein wichtigstes Vermächtnis.

Obwohl in seinen Werken rund 70 verschiedene Namen anzutreffen sind, werden nur Alberto Caeiro, Ricardo Reis und Álvaro de Campo als Heteronyme erachtet. Der vierte Name, Bernardo Soares, wird als Halb-Heteronym angesehen, da seine Persönlichkeit Eigenheiten aufweist, die denen des Dichters sehr ähnlich sind.

Nachfolgend möchten wir nun etwas detaillierter beschreiben, welche Personen hinter den Heteronymen von Fernando Pessoa stecken und was und wie sie denken.

Alberto Caeiro

Alberto Caeiro wurde 1889 in Lissabon geboren. Er wurde früh zum Waisen und verbrachte den Großteil seines Lebens auf dem Land, wo er bei seiner Großtante lebte. Obwohl sein früher Tod erwähnt wurde, gibt es Aufzeichnungen über Gedichte von Alberto Caeiro, die aus dem Jahr 1919 stammen. Er starb an Tuberkulose.

Ideale: Alberto Caeiro tritt für das empirische Wissen ein, das durch konkrete Erfahrungen entsteht. Als Atheist hinterfragt er die Religion nicht, erklärt nur „Ich glaube nicht an Gott, ich habe ihn nie gesehen.“ Er legt großen Wert auf Einfachheit und zeigt Vorliebe für die Natur. Gefühle sind für Alberto Caeiro wichtiger als das Denken.

Stilistische Eigenheiten: Die in den Gedichten von Alberto Caeiro verwendete Sprache ist sehr einfach, geläufig und zielstrebig. Der Dichter hat schlussendlich nur die Grundschule besucht.

Ich glaube nicht an Gott, ich habe ihn nie gesehen.

Wollte er, dass ich an ihn glaube,

Würde er gewiss kommen und mit mir reden,

Durch meine Tür treten 

Und sagen: Hier bin ich!

(…)

Álvaro de Campos

Álvaro de Campos wurde 1890 in Lissabon geboren. Das Datum seines Todes ist nicht bekannt. Er studierte Maschinen- und Schiffsbau in Schottland, übte den Beruf jedoch nie aus. 

Es sind drei unterschiedliche Schaffensphasen von Álvaro de Campos belegt.

Dekadenzdichtung

Nostalgische Sichtweise, Pessimismus, morbide Stimmung... In dieser Phase reist der Dichter auf der Suche nach Inspiration in den Osten, wo er zum ersten Mal mit Opium in Kontakt kommt. Der Konsum der Droge wird zu einer Möglichkeit für Álvaro de Campos, aus „der Realität zu entfliehen.“ 

Stilistische Eigenheiten: Anwendung des Neo-Symbolismus. Vage Dichtung mit verstärkt suggestiven Bildern und einer gewissen Musikalität.

Ich bin nichts.

Ich werde nie etwas sein.

Ich kann nicht einmal etwas sein wollen.

Abgesehen davon, trage ich in mir alle Träume der Welt.

(…)

Futurismus

Euphorie und Begeisterung, ausgelöst durch den Technologie-Boom. In dieser Schaffensphase distanziert sich der Dichter vollkommen von den beiden anderen Phasen. Die ausgedrückte Zufriedenheit erwies sich jedoch nur als vorübergehend...

Stilistische Eigenheiten: Sintflutartig hervorgebrachte, freie Verse. Oftmals fehlende Satzeichen, im Versuch, die Schnelligkeit der Welt der Technologie nachzuahmen.

Im schmerzenden Lichte der großen Glühbirnen der Fabrik

fiebere ich und schreibe.

Ich schreibe mit knirschenden Zähnen, Raubtier für diese Schönheit,

eine Schönheit, den Alten noch unbekannt.

(…)

Nihilismus

Absolute Verneinung und tiefster Pessimismus. Dazu Rebellion, Wut und Auflehnung gegen die Welt und die Gesellschaft als solches.

Stilistische Eigenheiten: Freie Verse in Alltagssprache mit sehr umgangssprachlichem Ton.

Geht ohne mich zum Teufel

Oder lasst mich allein zum Teufel gehen!

Warum müssen wir denn gemeinsam gehen?

Packt mich nicht am Arm!

(…)

Ricardo Reis

Ricardo Reis wurde 1887 in Porto geboren. Wann er starb, ist nicht bekannt. Er besuchte eine Jesuitenschule und studierte danach Medizin. Als Anhänger der Monarchie wanderte er nach der Gründung der Portugiesischen Republik im Jahre 1910 nach Brasilien aus. Ricardo Reis war ein sehr gebildeter Arzt, der nach den Vorbildern der klassischen Kultur und philosophischen Lehren der griechisch-römischen Antike lebte.

Ideale: Der Mensch ist kein Meister seines Schicksals. Er ist nicht einmal in der Lage, es zu verändern. Das einzige, was ihm übrig bleibt, ist, den Moment mit Gelassenheit zu erleben (carpe diem) und dabei zu versuchen, glücklich zu sein.

Stilistische Eigenheiten: Klassische Sprache und gelehrte Wortwahl. Gepflegte Gedichte mit formaler Struktur. Starke Präsenz von Mythologie und Schicksalsbewusstsein.

Folge deinem Schicksal

Folge deinem Schicksal,

Gieß deine Pflanzen,

Liebe deine Rosen.

(…)